Unterschreitung der Regeln der Technik wirksam?
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- von Franz M. Große-Wilde, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Fachanwalt für Erbrecht
Immer wieder kommt es vor, dass in Bauverträgen die Regeln der Technik nicht eingehalten werden sollen, häufig aus gutem Grund.
So schreiben etwa die Richtlinien vor, dass zwischen der obersten Wasser führenden Schicht und dem Fußboden im Inneren eine Höhendifferenz von 15 cm liegen muss. Diese Vorgabe erschwert die schwellenlose Ausgestaltung von Terrassen- und Balkonzugängen.
In diesen Fällen stellt sich immer die Frage, wie eine wirksame Vereinbarung aussehen muss. Das OLG München hat sich 2013 mit einer solchen Frage befasst. Der Unternehmer war hier mit der Errichtung eines Reihenendhauses beauftragt worden. In der vom Unternehmer erstellten Baubeschreibung war vorgesehen, dass "Gäste-WC, Windfang und Flur im Erdgeschoss einen Heizkreis bilden".
Der Bauherr beanstandete nach Fertigstellung diese Art der Ausführung und verlangte die Kosten für die Trennung der Heizkreise. Der Bauunternehmer stützte sich im anschließenden Mängelprozess auf die Baubeschreibung.
Das OLG München hat dem Bauherrn recht gegeben. Haben Gäste-WC und Flur eines Einfamilienhauses keine getrennten Heizkreise, liegt ein Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik vor. Diese seien mit Vertragsschluss stillschweigend vereinbart worden. Damit liege ein Mangel vor und die Heizkreise müssten getrennt werden.
Eine Abweichung käme nur bei ausdrücklicher Klarstellung, dass von den Regeln der Technik abgewichen werde, in Betracht. Nachdem dies nicht der Fall sei, sei der Vertrag widersprüchlich und verstoße gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Klausel, die die Abweichung von den Regeln der Technik vorsehe, sei daher unwirksam. Der Bauunternehmer hat gegen diese Entscheidung den Bundesgerichtshof angerufen, der aber die Revision gar nicht erst angenommen hat.
Soll vom Mindeststandard der allgemeinen Regeln der Technik zu Lasten des Bauherrn vertraglich abgewichen werden, muss der Unternehmer den Auftraggeber deutlich darauf hinweisen und ihn über die Folgen einer solchen Bauweise aufklären.
An diese Aufklärung sind hohe Anforderungen zu stellen. Diese Anforderungen sind regelmäßig kaum einzuhalten.
Unser Tipp:
- Einem Unternehmer ist beim privaten Bauherrn von einem Unterschreiten der allgemein anerkannten Regeln der Technik im Bauvertrag grundsätzlich abzuraten.
- Dies ist nur dann anders, wenn der Auftraggeber baufachlich versiert ist und die Besonderheiten im jeweils betroffenen Bereich genau kennt.
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