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EU-Erbrechtsverordnung und Erbrechtsverfahrensgesetz in Kraft

Am 17.08.2015 ist die europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbRVO) vom 07.06./27.07.2012, in Kraft getreten.

Am 17.08.2015 ist die europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbRVO) vom 07.06./27.07.2012, in Kraft getreten. Der deutsche Gesetzgeber hat hierzu am 29.06.2015 das internationale Erbrechtsverfahrensgesetz verabschiedet, das am gleichen Tage ebenfalls in Kraft getreten ist. Von diesen gesetzlichen Vorschriften sind insbesondere Erbrechtsfälle betroffen, bei denen ausländische Vorgänge von Bedeutung sind. Mittlerweile liegen die ersten Entscheidungen der Gerichte vor.

Während in der Vergangenheit sich die Erbfolge aus deutscher Sicht grundsätzlich nach der Staatsangehörigkeit richtete, kommt es für das Erben und Vererben seit dem Inkrafttreten der Verordnung auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an.

Bisher wurden in Europa unterschiedliche Lösungswege bei grenzüberschreitenden Erbfällen angewandt. So wurde in einem Teil von Europa auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers abgestellt, in einem anderen Teil auf den letzten jeweiligen Wohnsitz. In einigen Ländern war für unbewegliches Vermögen (Grundbesitz) wiederum das Erbrecht des jeweiligen Lageortes der Grundstücke maßgeblich.

Dies führte in der Praxis dazu, dass bei Immobilien in mehreren Ländern für den gleichen Erbfall unterschiedliche Regelungen anzuwenden waren (Nachlassspaltung). Dies soll durch die neuen Regeln verhindert werden.

Für den Begriff des letzten gewöhnlichen Aufenthalts ist nicht allein das Vorhandensein einer Wohnung in einem bestimmten Staat maßgeblich. Vielmehr muss eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers vorgenommen werden.

Zu berücksichtigen sind in einer solchen Situation Dauer und Regelmäßigkeit des jeweiligen Aufenthaltes, ergänzend auch die Staatsangehörigkeit, die Belegenheit der wesentlichen Vermögensgegenstände, das Vorhandensein eines Freundeskreises, das gesellschaftliche Engagement in dem jeweiligen Land. Wo der Betroffene gemeldet war, spielt nur eine geringe Rolle.

Bei einem Deutschen, der ein Ferienhaus an der belgischen Küste sein Eigen nennt und nach seiner Pensionierung zunehmend häufiger dort lebt, wird sich je nach den Umständen zu irgendeinem Zeitpunkt die Frage stellen, ob der gewöhnliche Aufenthalt in einem derartigen Falle von Deutschland nach Belgien verlegt worden ist.

Vergleichbare Fragen ergeben sich bei Berufspendlern oder Mitarbeitern europäischer Institutionen, die an jedem Wochenende wieder an ihren deutschen Wohnsitz zurückkehren, wo die Familie lebt. Ähnliches gilt für Grenzpendler, die aus Steuergründen im Ausland wohnen und die sogenannten „Mallorca-Rentner“, die große Teile des Jahres im Ausland verbringen. Besonders kritisch ist der Fall bei dem pflegebedürftige oder geschäftsunfähige Personen durch nahe Angehörige wegen geringerer Pflegekosten in eine Pflegeeinrichtung im Ausland gebracht werden.

Eine Ausnahme sieht die Verordnung zudem dann vor, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat hatte. In diesem Falle ist dann das Recht dieses Staates anzuwenden. Wann eine offensichtlich engere Verbindung besteht, ist allerdings bisher noch nicht eindeutig definiert. Es wird in Zukunft also gerade in solchen Fällen schwierig sein, hier eine sichere Lösung zu finden.

Deutsche, die von einer derartigen Situation betroffen sind, können für derartige Fälle eine gewisse Rechtssicherheit dadurch herstellen, dass sie in einem Testament ausdrücklich eine Rechtswahl treffen.

Die maßgebliche Vorschrift, Art. 22 EU-ErbRVO, ermöglicht allerdings nur eine Rechtswahl zu Gunsten des Rechtes des Staates, dem der Betroffene zum Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt des Todes angehört. Wer mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt, kann das Recht eines dieser Staaten wählen. Nicht möglich ist es, eine Rechtswahl zu Gunsten desjenigen Staates auszuüben, in dem man seinen gewöhnlichen Aufenthalt nimmt.

Die Möglichkeit der Rechtswahl wird in Einzelfällen auch deshalb genutzt, um für den (zukünftigen) Erblasser Bindungen im jeweiligen Erbrecht, etwa durch Pflichtteilsrechte oder Noterbrechte, zu vermeiden. Ein deutscher Staatsangehöriger kann aber Veränderungen in diesem Bereich nicht durch Rechtswahl, sondern nur dadurch erreichen, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in solche Staaten verlegt, in denen Pflichtteilsrecht nicht bekannt sind.

Da in den meisten europäischen Staaten dem deutschen Pflichtteilsrecht vergleichbare Regeln gelten, die zwar im Einzelfall unterschiedlich ausgestaltet sind, bleiben die Möglichkeiten begrenzt. Es besteht damit nur die Möglichkeit, dauerhaft in Staaten zu übersiedeln, die zum angelsächsischen Rechtskreis gehören, der kein Pflichtteilsrecht kennt. Hierzu gehören in Europa Großbritannien, Irland und Malta.

Gewisse Erleichterungen im Hinblick auf die Pflichtteilsrechte bestehen daneben auch in den Niederlanden im Verhältnis zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Kindern, weil nach niederländischem Recht das Erbe grundsätzlich zunächst auf den überlebenden Ehegatten, erst dann auf die Kinder übergeht und in diesem Zusammenhang Pflichtteilsrechte nicht geltend gemacht werden können.

Allerdings muss klar sein, dass eine bloße Verlegung des Wohnsitzes nicht ausreicht, sondern schon dauerhafte Beziehungen in den jeweiligen Ländern erforderlich sind.

Im Verhältnis zu Drittstaaten, die nicht der europäischen Erbrechtsverordnung beigetreten sind, verbleibt es bei den bisherigen rechtlichen Verhältnissen. So gelten in einigen Bereichen nach wie vor noch Staatsverträge, etwa im Verhältnis zu dem Iran, zu den Staaten der ehemaligen Sowjetunion und zur Türkei. Hier gelten Besonderheiten.

Im Verhältnis zu sonstigen Staaten muss berücksichtigt werden, dass die Regeln der EU-ErbRVO durch das Umsetzungsgesetz auch ins deutsche Recht übernommen worden sind. Insofern ist die EU-ErbRVO auch als deutsches Recht zu beurteilen. Hieraus ergibt sich, dass auch im Verhältnis zu Drittstaaten der gewöhnliche Aufenthalt zum Zeitpunkt des Todes maßgeblich ist.

Soweit ausländisches Recht für die Erbfolge maßgeblich ist, kann es bei Drittstaaten also nach wie vor zur Nachlassspaltung kommen. So ist beispielhaft in England nur für das bewegliche Vermögen der gewöhnliche Aufenthalt von Bedeutung, während für unbewegliches Vermögen das Recht am jeweiligen Lageort des Vermögens maßgeblich ist.

Unser Tipp

Sollten Sie in irgendeiner Form von Auslandskontakten erbrechtlich betroffen sein, so ist eine qualifizierte Beratung unbedingt erforderlich. Regelmäßig ist dies im Zusammenhang mit Ferienwohnungen im Ausland zweckmäßig und sinnvoll.